Joseph Ratzinger in Deutschland - oder wie man
den Glauben und die Wahrheit verdrehen kann

1) Es gibt einen ehernen Grundsatz in der christlichen Morallehre in Bezug auf das Achte Gebot Gottes: Man muss nicht immer und in jeder Situation zu jedem Thema und allem auf der Welt Stellung beziehen. Vor allem muss man da vorsichtig sein, wenn man berechtigterweise befürchten muss, dass die andere Seite einem mit ihren Fragen nur eine Falle stellen möchte und somit überhaupt nicht an der sachlichen Aufarbeitung eines Themas interessiert ist. Leider muss man ja heute oft beobachten, wie leichtfertig und unverantwortlich unsere Medien manchen kritischen Geistern die Worte im Mund umdrehen und somit nur die Interessen nichtchristlich-liberaler Kräfte verfolgen. Da interessieren die interviewenden Journalisten bisweilen nicht die objektiven Argumente einer Person (z.B. zur Verteidigung einer der überlieferten Glaubenslehren der katholischen Kirche), sondern wie man die betreffenden Äußerungen für die eigenen Zwecke und Interessen instrumentalisieren kann.
Wenn aber in unserer Gegenwart ein wichtiges und uns vielleicht sogar wesentlich betreffendes Thema anständig angesprochen und somit von uns dann durchaus berechtigterweise eine Stellungnahme dazu erwartet wird, dann dürfen wir dazu, erstens, nicht gänzlich schweigen. Denn dieses Schweigen zur (unsachlichen und somit wahrheitswidrigen) Kritik am katholischen Glauben könnte bzw. müsste unter Umständen sogar als ein Zeichen der Zustimmung zur betreffenden Kritik aufgefasst werden.
Ebensowenig darf dann, zweitens, unsere Antwort darauf so ausfallen, als würden wir fundamentale Abstriche an der katholischen Glaubenslehre machen. So darf also unsere Stellungnahme zu dieser oder jener Frage z.B. nicht nur die Hälfte (oder einen noch geringeren Teil) des eigentlichen theologischen oder historischen Sachverhalts abdecken, als würde der andere Teil unwesentlich und somit zu vernachlässigen sein. Denn dies würde praktisch wohl ebenfalls einem Verleugnen der eigentlichen Wahrheit gleichkommen! Darauf kann man nämlich auch das warnende Wort Christi beziehen: “Ich sage euch: Wer immer sich vor den Menschen zu Mir bekennt, zu dem wird auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes sich bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, der wird vor den Engeln Gottes verleugnet werden.” (Lk 12,8f).
Umso mehr sind wir zu einer korrekten Wiedergabe der kirchlichen Glaubenslehre verpflichtet, wenn wir sogar selbst ein Thema anschneiden oder von uns aus aktiv in die Gesprächsrunde einbringen. In diesem Fall sind wir im allerhöchsten Umfang zur Treue im Bekenntnis der Lehre Christi und der Kirche verpflichtet. Da lohnt es sich, die entsprechenden Ausführungen des hl. Apostels Paulus zu beherzigen: “Ich beschwöre dich vor Gott und Christus Jesus, dem einstigen Richter der Lebendigen und der Toten, bei Seiner Wiederkunft und bei Seinem Reiche: Verkündige das Wort! Tritt dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen. Überführe, weise zurecht und ermahne mit aller Geduld und allem Geschick. Denn es kommt die Stunde, da man die gesunde Lehre unerträglich findet und sich nach eigenem Sinn Lehrer über Lehrer sucht, um sich einen Ohrenschmaus zu verschaffen. Der Wahrheit verschließt man das Ohr und ergötzt sich an Fabeln. Du aber bleib in allem besonnen. Trage die Leiden. Vollziehe die Aufgabe als Verkünder der Heilsbotschaft. Versieh voll und ganz deinen Dienst!” (2 Tim 4,1-5)
2) Vom 22. bis 25. September 2011 weilte Benedikt XVI. in Deutschland. Dabei hielt er einige Predigten und Ansprachen und traf auch Vertreter verschiedener christlicher Konfessionen und nichtchristlicher Religionsgemeinschaften. Nachdem Joseph Ratzinger nach seiner Ankunft in Berlin zuerst im Deutschen Bundestag eine Rede gehalten hatte, traf er sich an demselben Tag etwas später im Berliner Reichstagsgebäude auch mit den Vertretern der jüdischen Gemeinde.
In seiner Rede vor dieser Personengruppe wies er in theologisch-historischer Hinsicht zuerst darauf hin, dass das “jüdische Volk” und die “katholische Kirche” “einen nicht unwesentlichen Teil ihrer grundlegenden Traditionen gemeinsam haben”. Er zitierte einen jüdischen Rabbiner, der beim Besuch Ratzingers 2005 in der Kölner Synagoge “über die Erinnerung als eine der Säulen, die man braucht, um darauf eine friedliche Zukunft zu gründen”1 sprach. Soweit kann man diesen Feststellungen wohl zustimmen.
Dann aber führte Ratzinger aus, wie “die Shoah, die Vernichtung der jüdischen Mitbürger in Europa geplant und organisiert wurde”. Er erwähnte die “Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938". Bezeichnenderweise fand aber in dieser Rede z.B. der passive wie aktive Widerstand der katholischen Bevölkerungsteile gegen die inhumane und antichristliche Ideologie des Nationalsozialismus und die Kritik vieler katholischer Priester und einiger Bischöfe an den verbrecherischen Taten des Hitler-Regimes nicht die geringste Erwähnung! Auch die historische Tatsache, dass z.B. Papst Pius XI. am 14.03.1937 das Apostolische Rundschreiben “Mit brennender Sorge” verfasste und darin unmissverständlich die Grundübel der damals in Deutschland herrschenden neuheidnischen Ideologie brandmarkte, wurde ebenfalls als nicht erwähnenswert erachtet. Dabei fällt auf, dass besonders die katholischen Bevölkerungsteile Deutschlands sich überdurchschnittlich nicht mit dem letztendlich antichristlichen System der Nazizeit anfreunden konnten und dieses somit ablehnten, so z.B. auch die Eltern Joseph Ratzingers!
Benedikt XVI. erwähnt hier lediglich den “Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg, der von der Kanzel der Sankt-Hedwigs-Kathedrale den Gläubigen zurief: ‘Draußen brennt der Tempel - das ist auch ein Gotteshaus’.” Ist es nun wirklich weit hergeholt zu vermuten, dass dieses Zitat in der Rede Ratzingers wohl hauptsächlich deswegen Erwähnung findet, weil darin die jüdische Synagoge - voll und ganz in seinem Sinn - als “Gotteshaus” bezeichnet wird?
Es stellt sich also die berechtigte Frage, warum denn die von ihm erwähnte und geforderte “Erinnerung” nur einseitig wachgehalten werde? Warum wird von Ratzinger nur auf das erlittene Leid “der jüdischen Mitbürger” hingewiesen bzw. es ziemlich hervorgehoben, wobei z.B. das in der Nazizeit von den katholischen Christen erlittene Unrecht konsequent verschwiegen wird? Denn wenn er schon selbst die Beziehungen und das “Vertrauen ... zwischen dem jüdischen Volk und der katholischen Kirche” anspricht, dann wäre es ja nur billig und recht, dabei wenigstens kurz auch auf die selbstlosen Aktivitäten des Apostolischen Stuhles und zahlreicher katholischer Priester, Nonnen und Laien in verschiedenen Ländern Europas einzugehen, durch deren heroische Leistungen gerade so vielen “jüdischen Mitbürgern” das Leben gerettet werden konnte!
Welche Ziele verfolgt also Ratzinger mit seinem einseitigen historischen Überblick? Zumal wenn man bedenkt, dass er sogar “dankbar” ist, “festzustellen, dass sich seit einigen Jahrzehnten eine neue Entwicklung zeigt, bei der man geradezu von einem Aufblühen jüdischen Lebens in Deutschland sprechen kann. Es ist hervorzuheben, dass sich die jüdische Gemeinschaft in dieser Zeit besonders um die Integration osteuropäischer Einwanderer verdient gemacht hat.” Wem will er hauptsächlich gefallen, wenn er die Wahrheit nur zur Hälfte erwähnt? Oder darf man nicht vom Leid der Katholiken oder anderer Menschen reden - vor allem nicht in der Gegenwart der Vertreter jüdischer Gemeinden?
3) Dann führt er aus: “Dankbar möchte ich auch auf den sich vertiefenden Dialog zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum hinweisen. Die Kirche empfindet eine große Nähe zum jüdischen Volk. Mit der Erklärung Nostra aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde ein ‘unwiderruflicher Weg des Dialogs, der Brüderlichkeit und der Freundschaft’ eingeschlagen (vgl. Rede in der Synagoge in Rom, 17. Januar 2010). Dies gilt für die katholische Kirche als ganze, in der der selige Papst Johannes Paul II. sich besonders intensiv für diesen neuen Weg eingesetzt hat.”
Diese sich in Warmherzigkeit geradezu überbietenden Formulierungen an die Adresse der Vertreter der jüdischen Gemeinde lassen nicht erkennen, dass deren Urheber irgendein wie auch immer geartetes Interesse daran hat, den betreffenden Personenkreis auf Jesus Christus, das Licht der Welt und den göttlichen Erlöser, hinzuweisen. Interessant ist, dass diese Haltung von ihm korrekterweise als ein “neuer Weg” bezeichnet wird!
Nach der Erwähnung einiger jüdisch-christlicher Veranstaltungen heißt es dann in der betreffenden Rede: “Und nicht unerwähnt lassen möchte ich das historische Treffen im März 2006 für den jüdisch-christlichen Dialog unter Beteiligung von Kardinal Walter Kasper. Diese Zusammenarbeit trägt Früchte.” Wenn also Benedikt XVI. dieses Treffen in seiner Rede ausdrücklich im lobenswerten Ton erwähnt, dann darf darauf geschlossen werden, dass er sich wohl auch mit dessen Inhalten weitestgehend identifiziert!
Bei der Ansprache anlässlich dieses Treffens mit den Rabbinern in Deutschland, Berlin, 9. März 2006 sagte aber Walter Kasper u.a. auch: “So machen nicht wenige christliche Theologen für das Versagen so vieler Christen in der Zeit des Nationalsozialismus die Schwäche verantwortlich, die das Christentum dadurch erlitten hat, dass es von dieser es nährenden Wurzel des Judentums so lange Zeit fast wie abgeschnitten war.”2 Liegt denn die Stärke des Christentums wirklich in der Besinnung auf das Judentum?
“Überwunden war damit auch die seit dem 2. Jahrhundert gängige Substitutionstheorie, wonach die Kirche als das neue Bundesvolk an die Stelle des von Gott verworfenen alten Bundesvolkes getreten sei. Nostra Aetate hat also den Boden der Geschichte gründlich umgepflügt und ihn für die Neuaussaat und eine fruchtbare neue Entwicklung des jüdisch-christlichen Verhältnisses bereitet.”
Wenn also der Neue Bund nicht die Erfüllung und Vollendung des Alten Bundes bedeutet und der Alte Bund somit immer noch seine volle Geltung angeblich beibehält, was Kasper damit ja offenkundig sagen will, dann relativiert er die Person und das Heilswirken Jesu Christi und “beraubt” Ihn letztendlich auch Seiner Göttlichkeit! Denn wenn das Heil in Gott auch weiterhin vollwertig auch im Judentum und somit unabhängig von Jesus Christus vermittelt werden könnte, dann wäre Er ja logischerweise nicht der einzige und wahre Erlöser! Ebenfalls würde man dann auch die klaren Worte Jesu vermessen außer Kraft setzen wollen, der im Hinblick auf die Juden, die Ihn ablehnten, unmissverständlich ausführte: “Habt ihr noch niemals in der Schrift gelesen: ‘Der Stein, den die Bauleute verwarfen, der ist zum Eckstein geworden; das ist das Werk des Herrn, als ein Wunder steht’s vor unseren Augen’ (Ps 117,22f.)? Darum sage Ich euch: Das Reich Gottes wird euch genommen und einem Volk gegeben, das seine Früchte bringt. Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschmettert; auf wen er fällt, den zermalmt er” (Mt 21,42-44). Und indem nun Ratzinger das betreffende Treffen und die betreffende “Beteiligung von Kardinal Walter Kasper” lobend erwähnt, gibt er zu erkennen, dass er wohl ebenfalls dessen apostasierenden Ansichten teilt!
Ferner sagt Kasper: “So waren die Jahre nach dem Konzil geprägt von lebhaften Debatten über die rechte Interpretation und die angemessene Verwirklichung des Konzils, insbesondere des vierten Kapitels von Nostra Aetate. Dabei erwies sich sehr bald: Die Konzilserklärung war erst der Anfang eines neuen Anfangs. Es war notwendig, auf dem vom Konzil gelegten Grund weiterzubauen und die Konzilserklärung nicht nur in die verschiedenen Sprachen, sondern auch in die verschiedenen, rasch sich wandelnden gesellschaftlichen und kirchlichen Kontexte zu übersetzen.” Also wird hier deutlich gesagt, dass dies alles “erst der Anfang eines neuen Anfangs” ist - da ist wohl in der Zukunft noch einiges an Pervertierungen der entsprechenden biblisch-katholischen Glaubenslehre zu erwarten!
Viel aussagend ist in diesem Zusammenhang auch die folgende Passage der Rede Kaspers, in der er sich auf einen Text einer jüdisch-christlichen Kommission bezieht: “Der Text fand Anerkennung aber auch Kritik. Es ist nicht die Absicht, hier nochmals auf die Argumente pro und contra einzugehen. Ich wiederhole lediglich die Worte meines Vorgängers, Kardinal Edward Cassidy (1989-2001), der sagte: ‘Dies ist ein erstes, aber kein letztes Wort.’”
Abschließend sei auch noch auf den folgenden Teil der Rede Walter Kaspers hingewiesen: “Seit dem II. Vatikanischen Konzil hat die christliche Theologie die alte Substitutionstheorie aufgegeben und hält an der bleibenden Gültigkeit des Bundes Gottes mit dem jüdischen Volk fest. Sofort stellt sich dann die Frage, wie sich der alte und neue Bund, oder wie manche sagen: der erste und der zweite Bund verhalten. Handelt es sich um zwei Bünde oder um einen Bund, oder reicht diese Alternative überhaupt aus, um das komplexe Verhältnis zwischen beiden zu beschreiben? Im Hintergrund dieser Frage steht das noch viel grundsätzlichere Problem, wie ist Weitergeltung des alten Bundes mit der für den neuen Bund grundlegenden universalen Heilsbedeutung Jesu Christi vereinbar (vgl. Röm 3,21-31)? Hält man an der universalen Heilsbedeutung Jesu Christi fest, dann stellt sich sofort das äußerst sensible Problem der Judenmission. Im Unterschied zu manchen evangelikalen Gruppierungen kennt die katholische und die offizielle evangelische Position keine organisierte und gezielte Judenmission.”
Für Kasper und somit wohl auch für seinen obersten Dienstherr im Vatikan, Benedikt XVI., scheint also nach der Art eines obersten Prinzips und unerschütterlichen Dogmas zweifelsfrei festzustehen, dass die “Weitergeltung des alten Bundes” nicht in Frage gestellt werden dürfe - dies wird hier den anwesenden Rabbinern ganz unmissverständlich signalisiert! Man gibt zu, dass man dann aber noch das “Problem” hat, wie dies denn mit “der universalen Heilsbedeutung Jesu Christi” zu vereinbaren wäre, was ja das entscheidende Fundament der genuin christlichen Offenbarungsreligion bildet. Aber indem man klarstellt, dass man sich im Vatikan bereits entschieden hat, “keine organisierte und gezielte Judenmission” mehr zu betreiben, betrachtet man es wohl als eine aktuelle Aufgabe der “christlichen” und “katholischen” Theologie, nun auch in dieser Frage eine solche “Lösung” bzw. Uminterpretation der katholischen Lehre im Sinne des modernistisch-ungläubigen Geistes zu finden, wie wir sie ja seit dem Vatikanum II. bereits von einer Reihe anderer wesentlicher theologischer Fragen her zuhauf kennen!
Dies alles ist wohl zu verstehen, wenn man Joseph Ratzinger am 22. September 2011 reden hört: “Diese Zusammenarbeit trägt Früchte”! O ja, das kennt und sieht man.
4) Entsprechend fährt er auch in seiner Rede vor den Vertretern der jüdischen Gemeinde fort: “Neben diesen wichtigen Initiativen scheint mir, dass wir Christen uns auch immer mehr unserer inneren Verwandtschaft mit dem Judentum klar werden müssen, von der Sie gesprochen haben. Für Christen kann es keinen Bruch im Heilsgeschehen geben. Das Heil kommt nun mal von den Juden (vgl. Joh 4,22). Wo der Konflikt Jesu mit dem Judentum seiner Zeit in oberflächlicher Manier als eine Loslösung vom Alten Bund gesehen wird, wird er auf die Idee einer Befreiung hinauslaufen, die die Thora nur als sklavische Befolgung von Riten und äußeren Observanzen missdeutet. Tatsächlich hebt aber die Bergpredigt das mosaische Gesetz nicht auf, sondern enthüllt seine verborgenen Möglichkeiten und lässt neue Ansprüche hervortreten.”
Für einen echten Christen gibt es tatsächlich “keinen Bruch im Heilsgeschehen”, aber eben deswegen, weil Jesus Christus der im Alten Testament verheißene Messias und Erlöser ist und so die entsprechenden alttestamentarischen heilsgeschichtlichen Verheißungen und prophetischen Ankündigungen zur eigentlichen Erfüllung bringt. Indem Jesus Christus selbst von Seinem Blut als dem “Blut des Neuen Bundes” spricht, welches “zur (nun wirklich wirksamen! - Anm.) Vergebung der Sünden vergossen wird”, zeigt Er an, dass der Alte Bund überholt ist. Bezeichnenderweise “riss” ja beim Sterben Jesu auch “der Vorhang des Tempels von oben bis unten entzwei” (Mt 27,51), was sowohl auf das Ende des Tempelkultes hindeutet als auch darauf, dass dieser mit dem Tod Jesu seine Bedeutung verliert.
Dieses Verständnis liegt übrigens voll auf der Linie der klaren und bitterernsten Worte Christi in Mt 23,38 und 24,2 und offenbart - im Sinne der überlieferten kirchlichen Lehre - keinesfalls eine wie auch immer geartete “oberflächliche Manier”! Hat denn Jesus Christus etwa ebenfalls “in oberflächlicher Manier” gesprochen, als Er die oben zitierte Feststellung (Mt 21,42-44) machte? Wer hier tatsächlich “in oberflächlicher Manier” dahin schwatzt und das Evangelium verleugnet, um seinen jüdischen Freunden zu gefallen, ist Joseph Ratzinger!
Und wenn er auf die Stelle Joh 4,22 zu sprechen kommt, dann sollte er doch um der Wahrheit willen bitte auch den biblisch-historischen Kontext dieser Stelle berücksichtigen, um sie überhaupt richtig wiederzugeben. Denn Jesus spricht zu einer Samariterin, welche ja von den Juden damals verworfen wurden: “Jesus sagte ihr: ‘Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, da ihr weder auf dem Berg dort noch in Jerusalem allein den Vater anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden. Aber es kommt die Stunde, und jetzt ist sie da, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten in Geist und Wahrheit; denn solche Anbeter will der Vater haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen anbeten in Geist und Wahrheit.’ Die Frau entgegnete ihm: ‘Ich weiß, dass der Messias - das heißt der Gesalbte - kommt. Wenn er kommt, wird er uns alles künden.’ Da sagte Jesus zu ihr: ‘Ich bin es, der mit dir redet.’” (Joh 4,21-26)
Ja, die Juden haben bis dahin die wahre und die Samariter die falsche Gottesverehrung besessen. Aber mit dem Kommen und Erscheinen des verheißenen Messias wird eine neue Anbetung des Vaters notwendig, die über das bis dahin Gewesene hinausgeht bzw. dieses im eigentlichen Sinne Gottes erhöht. Und diese entscheidende Merkmal der von Gott letztendlich gewollten Anbeter “in Geist und Wahrheit” gründet in der Person des Messias, welcher nun Jesus Christus ist. Eigentlich sagt also diese Stelle nichts anderes, als dass mit dem Kommen und dem Sühnetod Jesu auch das alttestamentarische Judentum überholt ist! Warum aber verdreht Joseph Ratzinger wissentlich deren Sinn? Denn als hochgebildeter Mensch und erfahrener Dogmatikprofessor weiß er doch ganz genau um die eigentliche Aussage und heilsgeschichtliche Bedeutung von Joh 4,22. Man kann nicht umhin, als ihm da eindeutig unlautere Absicht zu unterstellen...
5) Im folgenden Abschnitt seiner Rede gibt Benedikt XVI. praktisch unumwunden zu, dass er ebenfalls die These Walter Kaspers von der Notwendigkeit der Uminterpretation der christlichen Heiligen Schrift im Sinne der Annäherung ans Judentum teilt: “Die Hoffnungsbotschaft, die die Bücher der hebräischen Bibel und des christlichen AltenTestaments überliefern, ist von Juden und Christen in unterschiedlicher Weise angeeignet und weitergeführt worden. ‘Wir erkennen es nach Jahrhunderten des Gegeneinanders als unsere heutige Aufgabe, dass diese beiden Weisen der Schriftlektüre - die christliche und die jüdische - miteinander in Dialog treten’ (Jesus von Nazareth. Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung, S. 49)”
Die “Hoffnungsbotschaft ... des christlichen Alten Testaments” bestand ja wohlbekannt darin, dass der von den Propheten verheißene Messias kommen und das wahre Heil wirken werde: “Der Herr selbst wird kommen und euch erretten. Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf." (Is 35,4-6) Derselbe Isaias sagt vom leidenden Gottesknecht: "Er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. […] Doch wen kümmerte sein Geschick? Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten und wegen der Verbrechen seines Volkes zu Tode getroffen" (Is 53,5.8). So sprach dann ja auch “ein Engel des Herrn” entsprechend zu Josef in Bezug auf Maria: “Sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben; denn Er wird Sein Volk erlösen von seinen Sünden” (Mt 1,21).
Und wie sehr dieser Erlöser von zutiefst gläubigen Israeliten herbeigesehnt wurde, zeigt die Frage des Johannes des Täufers an, welche er durch zwei seiner Jünger Jesus ausrichten ließ: “Bist Du es, der da kommen soll, oder sollen wir einen anderen erwarten?” (Mt 11,3)
Und nun zitiert Ratzinger aus seinem eigenen 2010 erschienenen Buch und erklärt damit, dass es plötzlich “unsere heutige Aufgabe” sei, “in Dialog” mit “der hebräischen Bibel” der Juden zu “treten”, die Jesus Christus wohlgemerkt ausdrücklich als den göttlichen Erlöser ablehnen (was jedem bestens bekannt ist), um überhaupt in die Lage versetzt zu werden, “Gottes Willen und Wort recht zu verstehen”! Also vermitteln uns nun nicht mehr die unter der Inspiration des Heiligen Geistes schreibenden Evangelisten, die ja mehrfach auf die Erfüllung der alttestamentarischen Stellen in der Person, im Leben und Handeln Jesu Christi hinweisen, nicht mehr die heiligen Väter und Kirchenlehrer bzw. die gesamte kirchliche Tradition hinreichend das rechte und gottgewollte Verständnis der Schriften des Alten Testamentes. Nein, neuerdings müssen wir laut Joseph Ratzinger unbedingt die Interpretationsweise der sich von Jesus leider sogar ausdrücklich abwendenden Juden heranziehen, um “Gottes Willen und Wort recht zu verstehen”!
Wer angesichts solcher Äußerungen immer noch nicht sehen sollte, wessen Geistes Kind Benedikt XVI. wohl letztendlich ist bzw. welchen Kreisen er zuallererst und vordergründig gefallen möchte, der wäre eigentlich zu bedauern. Teilweise relativiert Joseph Ratzinger die entsprechende kirchliche Lehre, teilweise setzt er sie nach eigenem Gutdünken einfach außer Kraft bzw. leugnet sie. In jedem Fall “predigt” er nicht “Christus, den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für die Heiden eine Torheit; für die aber, die berufen sind, ob Juden oder Heiden, Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn Gottes ‘Torheit’ ist weiser als die Menschen, und Gottes ‘Schwachheit’ ist stärker als die Menschen.” (1 Kor 1,23f.)
Auf diese Weise entkräftet bzw. relativiert er auch jene Teile der von ihm nun auch in Deutschland gehaltenen Ansprachen und Predigten, die schöne und sogar tiefe Gedanken über Christus und den Glauben enthalten und sicherlich auch einen großen Eindruck auf manchen gutwilligen gläubigen Christen gemacht haben. Denn wenn für Joseph Ratzinger (ebenfalls wie für Walter Kasper) die “universale Heilsbedeutung Jesu Christi” nicht ohne Wenn und Aber feststeht (weil man ja einer bewussten und willentlichen “Judenmission” eine klare und eindeutige Absage erteilt hat!), dann verlieren auch alle (sonstigen) frommen Worte über Jesus Christus und den katholischen Glauben ihren Sinn und ihre Bedeutung! Ähnlicherweise kann man z.B. auch nicht ein Auto fahren, ohne vorher unbedingt den Motor anzumachen...

P. Eugen Rissling

1Alle entsprechenden Zitate (auch im folgenden) aus: www.vatican.va
2 Alle entsprechenden Zitate (auch im folgenden) aus: www.jcrelations.net

 

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